Matthias Geitel

 

eines abends spät in der zukunft - das paradies

Installation für die Ausstellungsreihe "eines abends spät in der zukunft"
ein Studentisches Projekt der Gruppe Driesen / Löhr / Lotz / Schumann / Töpfer

 

Projektbeschreibung

Auf der Rasenfläche zwischen der Galerie für Zeitgenössische Kunst und der Hochschule für Grafik und Buchkunst steht ein grauer Kubus, 3x3x3 Meter groß, als Fremdkörper, Störenfried und Kunstraum hier platziert. Als könne der Würfel mit Weissagungen dienlich sein, locken seine Worte „eines Abends spät in der zukunft“ das neugierige Publikum an. Wenn schon keine verbindlichen Prognosen, so erhofft es sich doch wenigstens schöne Geschichten.

Mein Zukunftsbild ist eine Frage geworden und ein Begriffsraum, der sich auf die Tradition bezieht und dessen formale Kriterien den permanenten Designprozess unserer alles gestaltenden Gegenwart widerspiegelt. Der Standort des Kubus konnte hierfür kaum besser gewählt sein. Im Achsenkreuz von GfZK und HGB, Musikhochschule und Hochschule für Technik und Wirtschaft installierte ich für eine Woche das Paradies, indem ich den ursprünglich formulierten Titel einfach fortschrieb: „eines abends spät in der zukunft - das paradies“.

Zweigeteilt war die Sentenz auf den beiden äußeren Seitenwänden des Kubus zu lesen. Im von vier Neonröhren Tag und Nacht erleuchteten Inneren des Würfels setzte sich die Bezeichnung des Raumes fort. Grün auf grauem Grund konnte man hier den zweifach transformierten arabischen Schriftzug „Paradies“ sehen. Als Vorlage diente eine Kalligrafie von al-Qandusi (1850), die als idealisierte Vektorgrafik von mir neu konstruiert und auf die Wandabmessung von 3x3 m gestreckt wurde. Die goldene Gittertür des Würfels erlaubte zwar den „Blick ins Paradies“, den Zugang zur Zelle gestattete sie jedoch nicht.

Die Polizeiabsperrung vor der HGB, errichtet als Sicherheitszone für das amerikanische Konsulat am Ende der Straße, verlieh der Installation eine besondere Note. Indirekt konnte man das Paradies als rund um die Uhr bewacht ansehen, die Sicherheitskräfte ihrerseits blickten eine Woche lang auf den arabischen Schriftzug, dessen Bedeutung unter den aktuellen politischen Umständen kaum zwiespältiger interpretiert werden konnte.

Eine Anekdote, die sich während der Aufbauphase zutrug: In Unkenntnis arabischer Schrift hatte ich beim Vektorisieren der Kalligrafie aus dem Gebilde zweier schlecht zu entziffernder Betonungszeichen eine inhaltslose Phantasieform erzeugt. Kurz nachdem ich den Pinsel aus der Hand gelegt hatte, wies mich Professor Abdullah auf die „Übersetzungssünde“ hin. Kein Schock meinerseits, eher schmunzelnde Akzeptanz der unfreiwillig fortgesetzten Transformation.


„Paradies“, arabischer Kalligrafie-Schriftzug von al-Qandusi (1850) aus: „The splendour of Islamic Calligraphy“ von Abdelkebir Khatibi und Mohammed Sijelmassi